Coronakrise offenbart die mangelhafte Politik der frühen Kindheit

7.04.2020

Die Politik der frühen Kindheit rückt aufgrund der Coronakrise unverhofft in den Fokus. Die Systemrelevanz der Institutionen der familienergänzenden Kinderbetreuung wird offenkundig. Zudem drohen in der aktuellen Ausnahmesituation die Bedürfnisse der Kleinsten in den Hintergrund zu treten.

Die Corona-Pandemie ist universal und betrifft sämtliche Bereiche der Gesellschaft und Wirtschaft. Dazu gehört auch die Politik der frühen Kindheit und insbesondere die Institutionen der familienergänzenden Kinderbetreuung. Der aktuelle Lockdown unterstreicht die Systemrelevanz der Vorschulbetreuung. Entsprechend umfasste die vom Bundesrat am 13. März verabschiedete und laufend aktualisierte COVID-19-Notverordnung die Forderung, dass Kindertagesstätten, Tagesfamilienorganisationen und private schulergänzende Tagesstrukturen grundsätzlich offen bleiben bzw. nur geschlossen werden, wenn die zuständigen Behörden andere geeignete Betreuungsangebote vorsehen.

Schutz und Finanzierung als zentrale Fragen
Der bundesrätliche Entscheid wirft insbesondere Finanzierungsfragen, sowie Fragen zum Schutz des Betreuungspersonals selbst auf. Kibesuisse warnt zudem vor dem Aufbau von Parallelstrukturen: Insbesondere im Frühbereich ist eine Betreuung im gewohnten Umfeld mit vertrauten Bezugspersonen von grosser Wichtigkeit. Eltern sind von der Situation dreifach betroffen: Sie müssen weiterhin für die Kitakosten aufkommen, die einen hohen Ausgabenposten darstellen, und gleichzeitig drohen Erwerbsausfälle, weil sie Kinderbetreuungsaufgaben übernehmen müssen. Hinzu kommt die Unsicherheit, dass aufgrund der Wirtschaftslage zusätzliche Erwerbsausfälle drohen. Diese Lage verschärft die Kluft zwischen wohlhabenden und weniger wohlhabenden Familien, was sich besonders auf die Chancengerechtigkeit von Kindern auswirkt.
In ihrer Stellungnahme vom 2. April 2020 fasst die Eidgenössische Kommission für Familienfragen EKFF die Auswirkungen der Corona-Pandemie für den Vorschulbereich als folgende Systemmängel zusammen:

  • Unterschiedliche Behandlung von Vorschulbetreuung und Schulwesen
  • Zahlungsausstände der Eltern gefährden Betreuungssystem
  • Fehlende finanzielle Polster der Kindertagesstätten für Notzeiten
  • Kita-Mitarbeitende können sich nicht vor einer Infektion mit dem Corona-Virus schützen

Einige Kantone und Städte, wie zum Beispiel die Kantone Zug, St. Gallen und Solothurn sowie die Städte Zürich und Luzern haben reagiert und unterstützen die Institutionen der familienergänzenden Kinderbetreuung finanziell. Aufgrund des helvetischen Föderalismus ist der Umgang mit der Problematik jedoch je nach Kanton und Stadt unterschiedlich.

Unterstützung für die Kleinsten
Die aktuelle Ausnahmelage birgt auch die Gefahr, dass sie bei den Kleinsten Verwirrung auslösen kann. Es stellt sich für Eltern die Frage, wie die Krise und speziellen Umstände auf einfache und verständliche Weise angesprochen werden sollen. Das Marie Meierhofer Institut hat hierzu eine Liste von Überlegungen und wertvollen Ratschlägen zum Umgang mit dem Thema Pandemie bei Kindern erstellt, die wiederum auf Vorschlägen zahlreicher Institutionen wie UNICEF oder Pro Juventute beruhen. Kibesuisse gibt zudem Antworten auf die am häufigsten gestellten Fragen bezüglich Umgangs mit dem Coronavirus in Betreuungsinstitutionen.

Zahlreiche Organisationen, die sich für Kinder einsetzen, verlangen von der Politik, offene Fragen und Probleme anzugehen. Eine Übersicht zu den entsprechenden Forderungen befindet sich hier und kann laufend aktualisiert werden:

Das Netzwerk Kinderbetreuung hat ausserdem eine Linkssammlung mit wertvollen Informationen zum Coronavirus für den Bereich der frühen Kindheit, die sich an Interessierte und Fachpersonen aus allen Sprachregionen der Schweiz richtet. Die aufgeführten Links verweisen auf Empfehlungen von Institutionen und öffentlichen Verwaltungen und gute Praxis im Frühbereich.

Die aktuelle Situation offenbart zahlreiche Missstände im Umgang mit der Politik der frühen Kindheit und der Vorschulbetreuung. Umso dringlicher erscheint das Ziel von READY! für eine umfassende Politik der frühen Kindheit und eine entsprechende nationale Strategie hierfür.