Breites Angebot für junge Familien

18.04.2018

Im Familienzentrum Kirchhofplatz Schaffhausen profitieren Mütter, Väter, Grosseltern und Nannies von einem kostenlosen Angebot in den Bereichen Bildung, Beratung, Vernetzung und Integration. In der Begegnungsstätte mitten in der Altstadt vermitteln Anbieterinnen ihr Wissen über die frühe Förderung. Ein Augenschein.

Kinderspielplatz: Barbara Raulf, Sandrina Fuchs, Andris, Fiona, Corinne Ciaccio und Andrea Egger (von links) verströmen gute Laune.
Kinderspielplatz: Barbara Raulf, Sandrina Fuchs, Andris, Fiona, Corinne Ciaccio und Andrea Egger (von links) verströmen gute Laune.

Corinne Ciaccio und Sandrina Fuchs freuen sich jede Woche auf den Besuch im Familienzentrum in Schaffhausen. «Für uns ist dieser Morgen Erholung pur. Wir können uns beim Kaffeetrinken wunderbar austauschen», sagen die beiden 39 Jahre alten Frauen. Corinne Ciaccio ist mit ihrer 23 Monate alten Tochter Fiona hier, Fuchs hat ihren Sohn Andris, 22 Monate, mitgebracht. Als die Kinder merken, dass sie fotografiert werden, schlängeln sie sich aufgeregt durch den blauen Kriechtunnel im Raum, als wollten sie zeigen, wie geschickt sie das schon können.

Ciaccio und Fuchs profitieren im Zentrum am Kirchhofplatz 19 von einem reichhaltigen Angebot. So ist an diesem Donnerstagmorgen auch die freipraktizierende Hebamme Andrea Egger anwesend. «Ich berate im Hebammenbistro werdende und gerade gewordene Eltern. Wir unterhalten uns zum Beispiel über Themen wie Schwangerschaft, Geburt, Stillen und Wochenbettbetreuung», meint Egger. Und fügt an: «Für mich ist es wichtig, Familien eine niederschwellige Möglichkeit anzubieten, mit einer Hebamme in Kontakt zu treten. Das Familienzentrum vereint umfassendes Wissen rund um eine frühkindliche Betreuung, Bildung und Erziehung. Zusammen sind wir stärker.» Auch Sandrina Fuchs bietet ihr Fachwissen im Familienzentrum an. Die Schaffhauserin führt als Beraterin des Vereins Tragwerk jeden zweiten Freitag im Monat Interessierte in die Kunst des Tragens ein.

Viele Angebote sind kostenlos
Mit dem Familienzentrum hat die Stadt Schaffhausen im Juli 2017 einen Ort geschaffen, wo sich Mütter, Väter, Grosseltern, Nannies und andere Betreuungspersonen an sechs Tagen pro Woche für ihre Erziehungsaufgabe fit machen können. Der Besuch und auch viele Angebote im Familienzentrum sind kostenlos: im Durchschnitt nutzen jeden Tag gegen 40 Personen die Möglichkeit, sich zu vernetzen, sich zu informieren, sich beraten zu lassen oder sich weiterzubilden. Im Rahmen der frühen Förderung mache es Sinn, möglichst viele Angebote unter einem Dach zu vereinen oder anzubieten, sagt der Schaffhauser Stadtrat Simon Stocker. Mit einem Bistro und Kursräumen können weitere interessierte Eltern angesprochen werden. Der Wunsch nach Austausch untereinander in einem ansprechenden Rahmen sei schon lange vorhanden gewesen, so Stocker. «Die Stadt Schaffhausen hat letztes Jahr diesen Schritt zur Eröffnung eines Familienzentrums gemacht.» Und es habe sich gelohnt. Das Familienzentrum stosse auf viel positive Resonanz. Angebote, Veranstaltungen und Kurse werden in Zusammenarbeit mit Fachstellen und Partnerorganisationen geplant und durchgeführt. Im Vordergrund stehen Angebote der frühen Förderung; so zum Beispiel die Mütter- und Väterberatung, Elternbildungskurse, ein Hebammenbistro oder auch das Café La Leche – Treffpunkt für stillende und werdende Mütter.

Vornehmlich Eltern aus der Schweizer Mittelschicht
Für den Betrieb trägt die Stabsstelle Quartierentwicklung die Verantwortung. «Das Familienzentrum wird hauptsächlich von Eltern aus der Schweizer Mittelschicht besucht. Es gelingt uns aber immer mehr, auch sozial belastete Familien und Familien mit Migrationshintergrund mit unserem Angebot zu erreichen», sagt Betriebsleiterin Barbara Raulf, die mit einer Assistentin und zwei Migrantinnen sowie einer Unterstützung aus dem Team der Quartierentwicklung die Begegnungsstätte in einem 60-Prozent-Pensum führt. Die erfahrene Sozialpädagogin schätzt den Austausch mit den Anwesenden. «Das Familienzentrum ist auch eine Quelle der Inspiration. Eben habe ich mit einer Frau darüber diskutiert, ob es nicht nachhaltiger wäre, Mütter und Hebammen bereits während der Schwangerschaft zusammenzuführen, um so eine Überforderung zu verhindern und Energieverluste zu vermeiden», erzählt Barbara Raulf. Wenn sie von Eltern hört, wie dankbar diese seien, dass es in Schaffhausen eine solche Einrichtung gebe, sei das eine grosse Genugtuung, meint Raulf. Und fügt an: «Im Zentrum begegnen sich auch von der Familie getrennt lebende Väter und ihre Kinder. Der neutrale Ort eigne sich für ein Treffen besser als die eigene Wohnung, wo die Emotionen jeweils hoch gehen können.»

«Netzwerk Bildung und Familie» fördert den Austausch und die Vernetzung
Barbara Raulf besucht regelmässig Vernetzungsanlässe für Familienzentren, die vom Ready!-Koalitionspartner «Netzwerk Bildung und Familie» organisiert werden. «Diese Treffen mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Familienzentren bedeuten mir sehr viel. Ich bekomme gute Ratschläge», sagt Barbara Raulf. Und fügt an: «Das Gefühl, einem Netzwerk anzugehören, trägt mich bei der täglichen Arbeit, weil es mir die Gewissheit gibt, dass wir dadurch auch die Politik auf uns aufmerksam machen.» Familien würden zentrale Leistungen für das Funktionieren der Gesellschaft erbringen, sagt Barbara Raulf. «Ich erwarte von der Politik, dass sie Familienzentren als allgemein familienunterstützende Angebote fördert.» Es gebe vielfältige Gründe, weshalb es politisch sinnvoll sei, Familienzentren als eine Massnahme der frühen Förderung zu unterstützen, meint Barbara Raulf. «Familienzentren sind niederschwellige Anlaufstellen für Information, Beratung und Vernetzung und unterstützen Eltern bei der Bewältigung ihrer wichtigen Aufgabe.» Aus bildungs- wie sozialpolitischer Sicht gehe es auch darum, herkunftsbedingte Benachteiligung für die Entwicklung der Kinder zu vermeiden. «Familienzentren können dazu einen Beitrag leisten. Insbesondere Kinder aus sozioökonomisch belasteten Familien profitieren von einer entwicklungsfördernden Umgebung, wie sie in Familienzentren vorhanden ist.»

Autor: Thomas Wälti

«Netzwerk Bildung und Familie» befriedigt ein Bedürfnis
Der gemeinnützige Verein «Netzwerk Bildung und Familie» wurde im Jahr 2016 gegründet. Der Koalitionspartner der Ready!-Kampagne engagiert sich für die Verbesserung der Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen aus sozioökonomisch belasteten Familien. «Im Tätigkeitsbereich Familienzentren unterstützt ‹Netzwerk Bildung und Familie› den Aufbau und die Vernetzung von bereits bestehenden und neuen Familienzentren›, sagt Maya Mulle, Geschäftsführerin des Vereins. «Das ‹Netzwerk Bildung und Familie› dokumentiert unter anderem Good-Practice-Modelle, entwickelt Arbeitshilfen, bietet Austauschmöglichkeiten und Weiterbildungen an und führt eine Literatur- und Linkliste zum Thema Familienzentren.» Die Ergebnisse der 2017 durchgeführten Bestandesaufnahme der Familienzentren in der Deutschschweiz zeigen, dass ein Bedürfnis nach Informationsaustausch unter den Familienzentren sowie nach Unterstützung vorhanden sei, meint Maya Mulle. Dem Netzwerk sind in der Deutschschweiz und in Liechtenstein 124 Familienzentren bekannt. Die Erfahrungen zeigen, dass Familienzentren mit ihrer Vernetzung unter den Anbietern und dem Kontakt zu Familien mit Kindern von 0 bis 4 Jahren eine hilfreiche Plattform bieten können für Gemeinden, die ein Frühförderkonzept erarbeiten wollen.